"Waffengleichheit" in der Auseinandersetzung mit der Versicherung

Oftmals hört man die Beschwerden enttäuschter Versicherungsnehmer, eine Versicherung sei solange gut, bis man sie einmal brauche. Dies zeigt, dass es häufig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den „Partnern“ eines Versicherungsverhältnisses kommt, die leider ebenso häufig zum Nachteil der Versicherten enden.

Die Statistik bestätigt dies: Auf jeden Bundesbürger entfallen rund 10 Versicherungsverträge – ein enormes Konfliktpotential. Jährlich werden mehr als 50 Millionen Schadensfälle von der Versicherungswirtschaft abgewickelt und mehr als 1 Million Prozesse geführt, an denen Versicherer beteiligt sind. Der sogenannte Ombudsmann für Versicherungsrecht erhält monatlich 800 bis 900 Beschwerden, Anfragen und Zuschriften. Im Bund der Versicherten haben sich über 40.000 unzufriedene Versicherungsnehmer zusammengeschlossen, 70 bis 80 Prozent aller Versicherungsverträge beruhen auf den Aktivitäten von Versicherungsvermittlern, deren Provision von Anzahl und Umfang der Versicherungsverträge und davon abhängt, wie lukrativ diese Verträge für Versicherer sind.
Worum geht es im Streit zwischen Versicherern und Versicherten?
Häufig entbrennt Streit im Bereich der Sachversicherung etwa darüber, ob ein Schaden generell versichert, der Schadensfall rechtzeitig und wahrheitsgemäß angezeigt, gar grob fahrlässig bzw. vorsätzlich herbeigeführt ist, oder der Fall der Unterversicherung vorliegt.
Für den Betroffenen bedauerlicherweise weitaus bedeutsamer sind Streitigkeiten aus dem Bereich der privaten Personenversicherung. Dies kann – vergleichsweise unspektakulär – eine Auseinandersetzung über die Eintrittspflicht des Versicherers nach einem Reiserücktritt sein,  andererseits aber auch der Streit um das „ob und wieviel“, wenn der Versicherungsnehmer in einen Unfall verwickelt war und Leistungen aus einem Lebens-, Kranken- oder Unfallversicherungsvertrag, in Anspruch nehmen will. Existenzbedrohenden Charakter erhält eine solche Auseinandersetzung häufig leider dann, wenn sich die Versicherung beispielsweise unter Berufung auf einen sogenannten Verweisungsberuf weigert, Zahlung im Fall einer nach Ansicht des Versicherungsnehmers eingetretenen Berufsunfähigkeit zu leisten.
Dies sind nur die häufigsten, keinesfalls jedoch einzigen Fälle von Streitverfahren zwischen den Parteien von Versicherungsverträgen. Auch Prozesse um Haftpflichtfragen z. B . aus dem Bereich der privaten Haftpflichtversicherung beschäftigen die Gerichte ebenso wie berechtigte oder vermeintlich berechtigte Ansprüche von Versicherungsnehmern gegen ihre Rechtsschutzversicherung.
Schließlich sind es auch Unternehmer, die den Klageweg gegen den Versicherer einschlagen müssen,  wenn es etwa um Meinungsverschiedenheiten über Fragen des Transport- und Speditionsversicherungsrecht, des Produkthaftpflicht- oder des Kreditversicherungsrechts geht.
Worauf beruht es nun, dass derartige Verfahren zumeist mit dem Unterliegen des Versicherungsnehmers oder dessen Resignation vor den Argumenten des Gegenüber enden?
Bislang sind nahezu alle versicherungsrechtlich orientierten Rechtsanwaltskanzleien für Versicherer tätig. Einige Sozietäten werben sogar damit, ausschließlich auf Seiten der Versicherer die Prozessführung und keinerlei Mandate von Versicherungsnehmern zu übernehmen. Versicherungsgesellschaften haben erfahrungsgemäß kein Problem, Anwälte zu finden, die mit dem Versicherungsrecht vertraut sind. Allein hieraus ergab sich zumindest bisher ein grundsätzlicher Nachteil für Versicherungsnehmer.

Am 20.03.2003 hat die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer die Einführung des „Fachanwalt für Versicherungsrecht“ beschlossen. Die Verleihung dieses Titels setzt, wie alle Fachanwaltstitel, besondere praktische Erfahrungen und theoretischen Kenntnisse auf dem Fachgebiet voraus, die durch mehrere Klausuren, eine bestimmte Anzahl bearbeiteter Fälle und zumeist ein sogenanntes Fachgespräch vor dem Prüfungsausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer nachgewiesen werden. Darüberhinaus unterliegt der Fachanwalt der Verpflichtung zur regelmäßigen Fortbildung, um dem Mandanten rechtliche Aktualität gewährleisten zu können.
Der Fachanwalt für Versicherungsrecht ist daher in erster Linie Orientierungshilfe für Versicherungsnehmer, die sich gegen unberechtigte Deckungsverweigerungen oder Leistungskürzungen zur Wehr setzen wollen, er vertritt insbesondere in der Korrespondenz mit dem Versicherer, aber auch vor Gericht. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht sorgt also für „Waffengleichheit“ in der Auseinandersetzung mit den zumeist hoch spezialisierten Juristen der Versicherungswirtschaft.

Der Versicherungsnehmer, der meint, von seiner Versicherung nicht das zu erhalten, was ihm dem Vertrage nach zusteht, sollte also nicht den Weg zum Spezialisten scheuen. In der Regel wird sogar, so z. B. Privatrechtsschutz vereinbart ist, der eigene Rechtsschutzversicherer die Kosten der Inanspruchnahme des Anwalts und der notwendigen Prozessführung übernehmen.